Bereits zum Einzug in ihre Heimat leitete Mose die Hebräer an, Segen und Fluch auseinander zu halten. Wir betrachten die Segen und Flüche der biblischen Weisung weder zusammen noch nebeneinander. Vielmehr sind es zwei Orte, seit ihrer Verkündigung zwei von einander getrennte Hügel, wie uns die göttliche Lesung im Morgendienst des HErrentags erinnert: „Und wenn der HErr, dein Gott, dich in das Land geführt hat, in das du jetzt hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, dann sollst du auf dem Berg Garizim den Segen und auf dem Berg Ebal den Fluch verkünden.“ (Dtn. 11, 29)
Wie die Berge sich über die Täler erheben, um einem Landstrich eine wahrnehmbare und einzigartige Erkennbarkeit zu verleihen, werden der Segen und der Fluch getrennt auseinander gehalten. Darüber hören wir in der Lesung vor dem HErrn: „Seht, heute werde ich euch den Segen und den Fluch vorlegen: den Segen, weil ihr auf die Gebote des HErrn, eures Gottes, auf die ich euch heute verpflichte, hört, und den Fluch für den Fall, daß ihr nicht auf die Gebote des HErrn, eures Gottes, hört.“ Hätte Mose beides an einem Ort vorgelegt, wie Segen und Fluch in einem Satz nebeneinander erwähnt wurden, wäre die Trennung derselben nur in einer Beachtung erfahrbar. Gott, unserem Vater, zu folgen, bedeutet gewiss Segen, und die Missachtung seiner Weisung einen erfahrbaren Fluch. Die Verkündigung von Segen und Fluch ist aber örtlich getrennt. Somit bedeutet der Segen mehr als eine Unterwerfung unter göttliches Recht und biblische Satzung. Wir hören von den göttlichen Geboten an besonderen Orten, an welchen wir beten, Jesum und seinen Vater im Geist der Heiligkeit verherrlichen, um mit dem Dreieinigen eins zu sein. So erfahren wir ein anderes, nämlich ein ewiges Leben, und Gott als unseren Vater. Die Gebote hinaus zu tragen, aus den Orten, an welchen Altäre stehen und Opfer und Gottesdienste stattfinden, verfremdet den göttlichen Willen. Ebenso ist das Evangelium keine Botschaft, welche an den Orten, die eher dem Berg des Fluches näher stehen, verständlich wäre. Unsere Betrachtung (Dtn. 12, 5) im Dienst vor der Eucharistie wird noch eindringlicher – die Stätte der Anbetung ist eine abgesonderte Örtlichkeit, der Altar des Höchsten, wo der Heilige mit den Heiligen sich verbindet; „Ihr sollt nach der Stätte fragen, die der HErr, euer Gott, aus allen euren Stammesgebieten auswählen wird, indem er dort seinen Namen anbringt. Nach seiner Wohnung sollt ihr fragen, und dorthin sollst du ziehen.“
Wie Segen und Fluch örtlich nicht zusammengefasst werden, soll das Heilige oder Sakrale stets vom Nicht-Heiligen oder Profanen (Weltlichen) auseinander gehalten werden. Wie uns die eucharistische Epistel anleitet, der Herrschaft der Welt abgesondert zu begegnen, mit Respekt, dienen wir der Herrschaft unseres Gottes im Heiligtum. Zwar bedrückt uns die erfahrbare Wirklichkeit der Erfahrung von Welt und Kirche, wie nach dem Wort Jesu die Schwangere vor der Geburt bekümmert ist, es kräftigt und bestärkt uns hingegen die gute Hoffnung, dass mit der Wiederkunft Jesu Christi auch die Herrlichkeit Gottes wieder einkehren wird. Und wie die Schwangere sich nach der Geburt über ihre greifbare Leibesfrucht und den Nachwuchs freut, soll die einige Herrschaft unseren Glauben vollenden, wenn Gott mit Frieden und Gerechtigkeit auch wahrnehmbar und greifbar diese unsere traurige Welt erfreuen wird. Solches bezeugt die Auferstehung des HErrn der Kirche – sichtbar und begreifbar.
Nun ist die Frage berechtigt – wo ist der Berg des Segens in dieser unserer noch bekümmerten Welt? Viele sehen im Glauben und Bekenntnis die Räumlichkeit des Segens und des Lichts. Mit Sicherheit ist eine solche Auffassung nicht falsch. Nur, der Glaube ist kein Raum, den man nach Bedarf betreten oder auch verlassen kann. Auch Segen und Fluch sind in ihrer örtlichen Verkündigung keine Glaubensfragen, sondern eher die Regeln, welche die Räume des Segens und des Fluchs umfassen. Deshalb schreibt Paulus von einem besonderen Begriff des Neuen Bundes. Die Ökonomie Gottes wird von ihrem ursprünglichen griechischen Begriff unterschiedlich übersetzt. Sie bedeutet an erster Stelle die Haushaltung Gottes, aber auch Amt und Ratschluss. Deshalb beschließen wir den 3. Sonntag nach Ostern mit einer außerordentlichen Lesung: im 13. Kapitel der Apostelgeschichte St. Lukas begegnet uns das Ereignis der apostolischen Aussonderung von Paulus und Barnabas. Denn ökonomisch zu denken, reden und tun, heißt ja mehr, als Gebote und Satzungen zu befolgen. In einer apostolischen Ordnung wird der Wille Gottes offenbart und ausgeführt, nicht die manchmal so tot wirkenden Buchstaben, sondern das nahe Herz des Liebenden. Er ist das Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, das heißt – der Vollender, der statt Strafrecht im Tod und Auferstehung die Gnade offenbarte, und uns, armen und schwachen Menschen, die Vergebung brachte, nämlich Gnade vor Recht, was die Apostel in ihren Schriften und die Kirche auf dieser ihrer Grundlage immer mit folgendem Wort benannten – die Oikonomia tou Theou, oder auf deutsch – die Haushaltung Gottes.
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