Die Epistel am 2. Advent beginnt mit folgendem Wort: „Und alles, was einst geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben.“ (Röm. 15, 4) Es sind für den Hoffenden und an die Wiederkunft Gottes Glaubenden sehr bedeutende Worte des Apostels. Was der Hoffende und Gott Erwartende am meisten braucht, ist sowohl die Geduld wie auch der Trost der Schrift. Uns wird ja nicht selten ein anderer Glaube zugeflüstert, welcher die Wiederkunft Gottes nicht kennt. Und es mag sein, dass in der Wiederkehr Christi Strafgerichte in Erscheinung treten, dass Katastrophen die göttliche Macht demonstrieren und so fort. Wir glauben aber zuerst den Gotteszeugen, dass sie Gott sahen, – auch im Heiligtum, sowohl am Sinai als auch in Betel und am Tempelberg auf Morija. Auch deren Nachfahren glauben wir, den Zeugen der göttlichen Erscheinung, welche sowohl die Gegenwart Gottes im Heiligtum als auch dessen Wiederkunft, nämlich die Rückkehr seiner Herrlichkeit bezeugten. Dafür beten die Juden, seitdem der Priester Esra das Bittgebet (Schmeone Esre) mit der Preisung zusammengesetzt hat: „Gepriesen bist Du, o HErr, der seine Herrlichkeit nach Zion zurückbringt!“
Die Wiederkunft der Herrlichkeit Gottes ist sowohl geistlich als auch theologisch klar – es ist die Erscheinung Gottes, in welcher Gott hypostatisch kommt, ohne mit seinem Wesen die unerschaffene Welt zu verlassen. Der Begriff „Hypostasis“ wird sowohl in der Theologie über Christus, in der Christologie, verwendet, wie auch in der griechischen Übersetzung der 70 Rabbiner, wenn die Erscheinung des Himmlischen umschrieben wird. Daher wissen wir, dass seit den Betrachtern der Erscheinung Gottes im Alten Testament eine Rückkehr Gottes in die Schöpfung erwartet wird. In dieser Ankunft soll das ganze All auf die Vollendung zugerüstet werden, auf die Verklärung (Metamorphose) und Verwandlung einer Neuschöpfung. In der Erscheinung Christi betrachten wir in der einen Hypostase (in einem subsistierenden Wesen) zwei Naturen – unser Heiland war und ist wahrer Mensch und wahrhaftiger Gott. Bewusst verbinden wir in der Adventszeit die Vorbereitung auf das Gedächtnis der ersten Ankunft Christi, seiner Geburt, mit der Erwartung seiner Wiederkunft.
Als die Hypostasis Christi wahrgenommen wurde, ging die Welt nicht unter, auch die Verheißungen der Vollendung wurden nicht aufgehoben. Vielmehr verstand Paulus die Erscheinung Christi als einen Dienst – er bezeichnete Jesus Christus als einen Diakon im Dienst der Verheißungen: „Denn, das sage ich, Christus ist um der Wahrhaftigkeit Gottes willen Diakon der Beschnittenen geworden, damit die Verheißungen an die Väter bestätigt werden.“ (Röm. 15, 8)
Statt die Ankunft Gottes in seine Schöpfung selber als Gott zu vollenden, besiegelte Christus als Diener „um der Wahrhaftigkeit Gottes willen“ eben die Erwartung der Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs, „damit die Verheißungen an die Väter bestätigt werden.“ Gott will in diese Schöpfung kommen, um den Glauben seiner Gläubigen noch in der Zeitlichkeit zu bestätigen und um sie, – die zu dieser Zeit noch recht verborgen sind –, vor aller Augen zu offenbaren.
Das Evangelium des 2. Sonntags im Advent verstehen wir nicht als eine katastrophale Ankündigung – auch sollen in dieser Verkündigung keine Katastrophen vor Gottes Antlitz dargestellt werden. Vielmehr verstehen wir die Worte des HErrn im geistlichen Sinn. Die Zeichen an Sonne, Mond und Sternen sind eine Umschreibung der Erscheinung Christi und deuten seinen Tod an – die Verdunklung der Sonne beim Sterben des Gottessohns, und die Finsternis am Mond, dem Abglanz der Sonne, im Tod des Menschen Jesus. Aus der Ordnung der Ordination der Lehrer und Rabbiner, wo es abschließend heißt: „Nun ist ein Stern über dem Zion aufgegangen!“ wissen wir, ebenso wie die Zuhörer Jesu, dass die Sterne im Himmel die Lehrer bedeuten, welche durch die Ereignisse auf Golgatha unsicher wurden. Als sodann die erwähnten Zeichen beim Tod des Messias auftraten, und „als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ (Mk. 15, 39) wurde auch das Volk unsicher. Dies kündigen die ersten Verse des Evangeliums an diesem HErrentag: „Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“ (Lk. 21, 25f )
Auch heute erfahren wir „das Toben und Donnern des Meeres“ in der allgemeinen Ablehnung unseres christlichen Glaubens. Das Meer ist eine biblische Metapher für die sterblichen Völker, unter welchen wir leben und im Dienst Christi die Verheißungen gläubig verkünden. Während viele von der apokalyptischen Zerstörung sprechen, verstehen wir die Zeichen als eine Offenbarung des vollendungsfähigen Glaubens. Auch wenn „die Kräfte des Himmels erschüttert werden“, die kirchlichen Vorsteher wie die Lehrer in Glaubensnöte gelangen, wird dies nichts an der gnädigen Erscheinung eines demütigen Königs Christus und seines Vaters ändern. Deshalb teilen wir unter uns den letzten Vers der Epistel, wo es heißt: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.“ (Röm. 15, 13)
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