Von der Krippe in Bethlehem bis zum leeren Grab in Jerusalem besteht eine Spanne
der Heilsgeschichte, welche durch das Zeugnis der Engel bekundet wurde, nämlich von der Verkündigung: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist
Christus (Messias), der HErr.“ bis hin zur Botschaft: „Der HErr ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt
hat.“. Selbst bei der herrlichen Himmelfahrt kündet der Engel: „Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso
wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“ Zweifelsohne bekundeten daselbst die Himmel solche Geheimnisse, welche kein Mensch zu offenbaren fähig
wäre.
Allerdings vernahmen die Botschaft von Christi Geburt nur jene Hirten, welche die
Schafe auf dem Feld hüteten, vermutlich zu dieser Jahreszeit nur solche Tiere, welche nicht mit der Herde gehalten werden konnten, weil sie für den Opferdienst im Tempel
ungeeignet waren. Die Überwacher solcher Herden stellten unter den Hirten lediglich die zweite Garnitur dar, da sie relativ „unreine“ Tiere überwachten, die nur als
Kleidungs- und Nahrungsvorräte für die Ärmeren unter den Juden dienten. Gerade solchen Hirten nahm es der Evangelist ab, dass sie die Engel sahen und das Zeugnis vernahmen!
Würde man heute das Zeugnis von „den Hirten der Schafe außerhalb der Herden“ irgendwelches Zeugnis abnehmen?
Die Botschaft von der Auferstehung Jesu hörten aus dem Engelsmund
„nur“ die Frauen – ebenso für manche der Apostel „unglaubwürdige Zeugen“, so dass der Evangelist schreibt: „Als sie hörten, er lebe und sei
gesehen worden, glaubten sie es nicht.“ Erst in der Erscheinung des Auferstandenen konnten die Jünger bezeugen: „Der HErr ist wirklich
auferstanden!“ Ja selbst in der Stunde der Entrückung des HErrn zweifelten einige seiner Jünger.
Somit bleibt selbst das Augenscheinliche, was lediglich wenige vernehmen, immer ein
Geheimnis. Das Prädikat des Glaubens erlangen solche Geheimnisse erst dann, wenn man dem Zeugnis der Zeugen glaubt. Und gerade darin liegt der Haken: – will man überhaupt
ihr Zeugnis hören, geschweige denn demselben Vertrauen oder gar Glauben schenken?
Selten ist Gott von vielen wahrgenommen worden, so dass man sich dieser Mehrheit
hätte anschließen können. Es sind häufig einzelne, nicht gerade ansehnliche Zeugen, welche auch im Gebet oder im Nächsten Gott begegneten, und die man leicht überhören kann.
Auch unser Zeugnis, der Hirten der kleinen Herden außerhalb des Tores, mag übersehen werden. Und trotzdem ist keiner da, noch wird er da sein, der uns unser Erlebnis Jesu zu
rauben vermag!
Und gerade darin verbirgt sich das Geheimnis des Glaubens. Über das Leben und
Wirken Christi sind Zeugnisse gesammelt worden, angefangen mit den talmudinischen Büchern der Juden, weiter über die historischen Berichte, bis hin zu den Evangelien. Somit
stellt das Ereignis der Geburt Christi kein unmittelbares Geheimnis dar. Wenn Jesus nicht geboren wäre, gäbe es keine weiteren Zeugnisse über ihn!
Das Geheimnis unsrer Verkündigung ist hingegen eine andere Aussage –
der HErr, JHWH ist Mensch geworden!, so dass keiner sagen kann: „Jesus ist der HErr!“, wenn ihm dasselbe Zeugnis der Geist Gottes nicht
offenbart. Deshalb sind wir vom Heiligen Geist angeleitet, nicht das Geheimnis aufzudecken, da dasselbe erst in der glorreichen Wiederkunft Christi offenbar wird, sondern
dasselbe zu verkünden. Und wer zur Stunde, wo noch der Glaube und Hoffnung bestehen, das Geheimnis im Glauben vernimmt, wird zum Erstling unseres Glaubens, zum geheimnisvollen
Leib Christi zugefügt. Unser oberster Hirt bewacht die Schafe, sowohl jene im Tor, wie die übrigen außerhalb. Er eint sie in seiner menschlichen Natur kraft seines Sieges; er
allein eint uns kraft seiner Hingabe bis zum Tod am Kreuz zu einem vollendungsfähigen Leib, zur Kirche Gottes, um uns in seiner Gottheit dorthin zu erheben, woher er kam. In
diesem Sinn stellt Weihnachten als das Hochfest unseres Glaubens auch unsere Geburt dar, jene Wiedergeburt, in welcher wir als Getaufte in die Gemeinschaft der Vollendeten
aufgenommen wurden.
Daher betrachten wir – wie wir aus dem Glaubensgeheimnis entstanden worden
sind – auch unser Leben. Und der Jahreskreis unserer Feste leistet uns den Beitrag dazu, immer tiefer im HErrn und Gott zu sein, um durch Gnade und Beistand Christi erbaut
zu werden – sowohl im Verständnis von seinem Geheimnis, als auch in der Beharrlichkeit, bis sich das Geheimnis offenbaren wird, nicht nur für uns, sondern für alle, die
noch nicht das Geheimnis des Glaubens annehmen konnten.
Der HErr ist nicht für sich und zum eigenen Zweck geboren.
Daher ist auch unsere Gemeinschaft seiner Anbeter kein Selbstzweck. Wir sind da, weil er unser Sinn ist – unser Leben und unser Friede! Und wofür er geboren worden ist,
dafür sind wir da – mit Freude und dem Hallelujaruf!
|