Seit den christlichen Reformationsbewegungen hat sich der Amtsbegriff von seiner charismatischen Bedeutung schwer
zu einem Beamtenstatus geändert. Vor dem Ausbruch der Reformation besaß ein Priester eher den Schulterschluss mit seinen Mitgläubigen als mit den Lehrautoritäten. Zu seiner
Befähigung zählte weniger ein theologisch-philosophisches Studium, sondern das Können und Wissen um die Feier der hl. Sakramente. Hierzu besuchten die Amtskandidaten die
bischöflichen Priesterseminare, deren Rest immer noch mancherorts nach dem Studium geblieben ist. Als Mitglaubende im Gottesdienst haben sie eher die örtliche kirchliche
Gemeinschaft an sich gebunden, als die heutigen Pfarrer. Das gottesdienstliche Geschehen war ja traditionell, eigentlich seit der urkirchlichen Zeit, ein Ereignis unter den
gleichwertigen Anbetern Gottes. Beide, sowohl das Amts- wie das allgemeine Priestertum wurden durch die ebenbürtige geistliche Stellung eines königlichen Geschlechts geeint. Im
Judentum hat sich dieses liturgische Selbstverständnis wie auch in den orientalischen Kirchen bis heute erhalten. Bei den Juden steht nicht der Rabbi der Liturgie vor, sondern
der Kantor mitsamt den 10 Männern des Minjans. Ostkirchlich ist der verheiratete Paroch (Pfarrer) oder auch ein einfacher Mönchspriester für das übliche geistliche Leben
seiner Gemeinde im Auftrag des Bischofs zuständig. Die Unterweisung hingegen nehmen die Fachkräfte der Theologie oder die Bischöfe wahr, während bei den Juden dies zu den
obersten Aufgaben des Rabbiners gehört.
Die Reformatoren waren alle hochdekorierte und verdiente theologische Fachkräfte, die an den hohen theologischen
akademischen Einrichtungen doziert haben. Die Amtsfrage beschäftigte sie weniger, als die Überwindung der Missstände in der Christenheit. Um den Gläubigen eine bessere Betreuung
zu reichen, haben sie solche Ordinationen eingeführt, in welchen offizielle Kirchenvertreter mit einer Handauflegung eingesetzt wurden, um die kirchlichen Lehren und den
Gemeindevorstand kompetent auszuführen. Die geistliche Seite des Amtes hat sie weniger oder kaum interessiert. So verwischten sie, vermutlich unabsichtlich, die Unterschiede
zwischen den Bischöfen und Dozenten zu den Gemeindepriestern. Jeder ordinierte evangelische Pastor stellt die Kompetenz sowohl eines Bischofs wie eines theologischen Lehrers
dar. Selbst die vorstehenden Geistlichen, welche durch die Synoden einzelner Landeskirchen gewählt werden, und die gelegentlich einen bischöflichen Titel tragen, unterscheiden
sich von den Mitpastoren im sakramentalen Verständnis kaum.
Vor der Reformation wurden die beiden priesterlichen Ordnungen neben den Theologen als die volksnahen Dienste
verstanden. Sowohl die Bischöfe wie die Priester vertraten eher einen praktischen als einen theoretischen Glauben. Der Unterschied der beiden Amtsstufen bestand und besteht noch
heute darin, dass die Priester bei ihrem Amsgelöbnis sich ihrem Bischof durch das Gelübde des Gehorsams unterordnen. Dies tun sie nicht nur wegen einer kirchenrechtlichen
Vorschrift. Im Selbstverständnis des Hl. Amtes ist die Nachahmung Christi vollumfänglich enthalten, vor allem in dessen Selbstentäußerung. Während der Bischof seit ältesten
Zeiten den himmlischen Bischof, nämlich Gott den Vater vertritt, stellt der Priester die Gestalt Jesu dar, indem er gelobt, das Priestertum in gebundener Art
auszuüben.
Obwohl beide, sowohl die Priester wie die Bischöfe das höchste Sakrament unseres Glaubens, die
Feier der hl. Eucharistie, gleichermaßen ausfüllen können, amten die Priester in einer geringeren Stellung. Zwar gehören sie dem gleichen priesterlichen Stande an, denn es gibt
nicht viele, sondern nur ein sakramentales Amt, und doch halten sie nicht daran fest, wie der Bischof zu sein. Dadurch sollen sie dem HErrn ähnlicher werden, der nicht daran
festhielt, wie Gott zu sein, sondern sich selbst entäußerte, Knechtsgestalt annahm und den Menschen gleich ward.
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