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Pastoral | Beitrag

Das Heil kommt von den Juden

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Bereits zu den Samaritern musste der HErr sagen: 'Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden.' Die Bewohner Samarias, das 'Nordreich' Israels nach der Spaltung unter Rehabeam, hatten sich vom ursprünglichen Gottesdienst Israels entfernt, und so mit der Zeit auch die Gotteserkenntnis verloren. Denn Erkenntnis heisst 'Erfahrung', und die Erfahrung Gottes ist nur da möglich, wo Gott sich nach seinem Entschluss erfahren lässt.

Der Gottesdienst aber basiert auf dem Leben, welches Gott gewidmet ist, und diese Widmung geschieht wiederum in bestimmten Formen und Formeln, welche gebraucht und weiter überliefert werden.

Die Kirche hat sich schon früh daran gewöhnt, sich als das rechtmässige Volk Gottes zu betrachten, hat seinen Bezug zum Judentum zu einem grossen Teil verleugnet und hat die Juden sogar feindselig behandelt.

'Das Heil kommt von den Juden': dieser Satz wird allgemein so gepredigt, dass man darunter nur den Glauben an Jesus Christus versteht. Er als der Heilbringer, die heilige Familie und die ersten Jünger, das sind die einzigen, auf die man diesen Satz noch bezogen hat. Mit dem historischen Ereignis des Sühnopfers am Kreuz, mit Ostern und Pfingsten, scheint für viele die Bedeutung dieses Satzes erledigt zu sein. Dass der Messias ein Jude war und zuerst auch zu den Juden ging, ist für die meisten wenig bedeutungsvoll. Über die Lebenspraxis, wie der HErr und wie die ersten Jünger Gottesdienst gehalten haben, ist wenig überliefert. Mag sein, dass dies den Verfassern der Evangelien zu selbstverständlich war, um viel darüber zu schreiben, mag sein, dass die Evangelien auch entsprechend zensiert wurden: das WIE der Glaubensausübung ist im Neuen Testament nicht enthalten, und das WIE und WOHER des christlichen Kults wurde im Laufe der Zeit seiner Wurzeln beraubt.

Was für den Gottesdienst gilt, gilt ebenso für die Bibelauslegung. So haben wir Christen zwar heute eine Bibel, über weite Strecken auch ein gemeinsames Dogma und Bekenntnis, aber wir wissen eigentlich nicht, wie wir zueinander finden sollen. Es geht nicht nur um die Trennung der Konfessionen, sondern auch die Trennung, welche unter denen vorhanden ist, welche gemeinsam zur Kommunionbank oder zur Predigt gehen. Wir meinen, dass wir Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten, aber wo bleibt die Erfahrung mit Gott?

Während die Christen in der Trennung gefangen sind, blieben die Juden über die Jahrtausende eine Einheit. Auch wenn es innerhalb der Juden verschiedene Lehrrichtungen und Strömungen gibt (wo zwei Juden sind, gibt es bekanntlich drei Meinungen): im Prinzip wissen sie WIE sie zusammen feiern und sie wissen auch WAS sie von Gott und vom Leben zu erwarten haben, und dieses Wissen begründet wiederum das WIE, es erhält die praktische Seite der Überlieferung.

Bei den Juden gibt es viele dogmatische Richtungen, wie auch aus den Evangelien ersichtlich ist. Nicht alles ist Gold, was da glänzt, und aus dem Zusammenhang gerissen, gibt es dort viele unsinnige Erzählungen und Legenden. Und doch hat dieses Volk die Last und das Privileg, jener 'Ölbaum' zu sein, in welchen wir als Heiden-Christen für etliche Jahrhunderte eingepfropft worden sind; ihre Sprache, ihre Kultur entspricht ursprünglich der Wurzel des Baumes, während wir davon nur das für uns Wichtigste angenommen haben.

 

Die Wurzel, die uns trägt

Wenn jedoch einige der Zweige ausgebrochen sind, du aber, der du von einem wilden Ölbaum stammst, unter ihnen eingepfropft worden bist und an der saftreichen Wurzel des Ölbaums mit Anteil bekommen hast, so rühme dich nicht wider die Zweige; rühmst du dich aber wider sie, so wisse: nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.
         
(Röm.11,17.18)

Dass die Christen heute geistlich nicht viel zu sagen haben, liegt sowohl daran, dass man vergessen hat, dass sie ein lebendiges Haupt im Himmel haben, und dass sie auch die Grundlagen ihrer Weisheit verloren haben.

Zu vieles wurde schon gepredigt, was mit dem ursprünglichen Evangelium nichts oder nur wenig zu tun hat. Der falsche Same wurde schon sehr früh gesät (Mt. 13, 24ff), und es scheint ein Ratschluss in der Heilsgeschichte darin zu liegen, dass auch die Frucht dieses Samens sichtbar werden muss, und dass es den Gerechten auferlegt ist, dies zu ertragen, bis sie dahin gelangen, wo sie den Ankläger überwinden (Offb.12,10.11). Wenn dieser Punkt erreicht wird, ist die Erlösung greifbar. Dann muss auch die 'natürliche' Feindschaft zwischen Juden und Christen ein Ende nehmen, welche in der Eifersucht des einen und in der Überheblichkeit des anderen liegt.

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