Seit Christi Himmelfahrt gab es nur selten einzelne Menschen, welchen die Gnade der
Gottesschau zuteil wurde, so dass die Mehrheit der Christgläubigen durch die letzten Jahrtausende die Wurzeln ihres Glaubens vergaß – die Erscheinung Gottes in Raum und
Zeit. Deshalb warnten die meisten Kirchenväter bereits im ersten christlichen Jahrtausend vor der geistlichen Glaubenserkrankung. Auch im zweiten christlichen Jahrtausend
schwiegen sie nicht – wie z. B. der hl. Thomas von Aquin, welcher gar den Widerstand gegen die Lehr- und Lehrer-Erkrankung im Glauben für legitim hielt. Im Grunde genommen
ging der Geist der Urkirche bereits verloren, seitdem die tägliche Anbetung mit den göttlichen Lektionen zur reinen Domäne der Klöster und des monastischen Lebens geworden ist,
und sich stattdessen nur noch Andachten und sonstige Predigten und Tagesmessen zur Gewohnheit entwickelten.
Die urchristlichen Gläubigen, mitsamt den Aposteln des HErrn, besuchten noch den
Tempel, solange dieser in Jerusalem stand, später auch die synagogalen Dienste. Dies bezeugen sämtliche Apostelschriften, ebenso die Apostelgeschichte St. Lukas. Jene
liturgischen Gewohnheiten bildeten die eigentliche Grundlage für die Kultivierung des Glaubens – so bezeichnete man diese Gebetshäuser zugleich als Schulen, in welchen
anhand der Schriftlesungen, welche dem Charakter der Jahreszeit und der Feste entsprechend ausgewählt waren, das Gespräch und die Unterweisung (Katechese) geschah. Ebenso
diente man in den Ortskirchen (vgl. Apg. 13), indem aus den Lesungen des Morgens und des Abends selbst die prophetische Erfahrung und Belehrung durch die Gabe des
verheißenen Trösters, des Heiligen Geistes, das Leben und den Glauben gestaltete. Anstatt sich von den religiösen Vorstellungen der Mehrheiten, sowohl der Juden wie der ringsum
lebenden Heiden beeinflussen zu lassen, schöpften die ersten Christen ihre Hoffnung und die Glaubenskraft aus dem angenommenen Gut der göttlichen Offenbarung. Denn selbst unser
hochgelobter HErr und Heiland Jesus Christus unterwies die Apostel im Glauben anhand der biblischen Schriften im verborgenen Raum des Abendmahlssaals, auch nach seiner
Auferstehung.
Im apostolischen Werk haben wir es gelernt und pflegen es auch heute noch: die
tägliche Betrachtung, das Speisopfer unseres Glaubens. Anstatt vom Zeitgeist, suchen wir die Eingebung von Gott, indem wir mit Tagesdienst und Gebet der göttlichen Lektion aus
Altem und Neuem Testament lauschen: nicht mit den Ohren, sondern mit dem Herzen im Heiligen Geist. Bewusst gehen wir den liturgischen Weg entlang, um durch die Heiligung der
eigenen Gedanken und Sinne die ureigenen Vorstellungen aufzugeben, damit jener Raum in unserem Inneren entstehen kann, welcher verborgen und Gott doch so heilig ist, dass uns
die Salbung der Himmel, der Geist der Gedanken, mit dem Sinn Christi eint, wo sein Licht mit unsrer Erleuchtung eins wird, und wir die Erfahrung machen – sowohl Er, als
auch wir, sind nach seinem Zeugnis in der Bergpredigt das einige Licht des Kosmos vor dem Antlitz des Höchsten. So bilden wir keine eigene religiöse Vorstellung, sondern lernen
aus dem Geist und der Wahrheit, und diese ist Jesus der Christus in unserer Gemeinschaft, damit unser Glaube auf dem Felsen sich erbaue, welcher Gott selbst ist.
In diesem göttlich geschenkten Glauben ist kein Bereich für die Phantasterei frei,
sondern für die Weide des Evangeliums. Aus dieser Erfahrung treibt uns zum Leben das Wissen um Gott an und weniger das Rätseln um die Absichten unseres himmlischen Vaters. Der
Heilige in unsrer Mitte mag uns in den Grundlagen der Lehre festigen, gar fundamental erbauen, jedoch nicht zu Fanatikern einer Weltanschauung. „Gott mehr zu glauben, als
den Menschen“ (Apg. 5, 29) bedeutet hierbei nicht die Absonderung von den Menschenkindern. In dem Maß, wie wir die Mitmenschen auf die Art und Weise des
verherrlichten Gekreuzigten lieben, und die Güte des Friedens suchen, erfahren wir die Frucht dieses Glaubens, nämlich die Einheit mit Ihm, unserem Heiligen Vater. Er lässt uns
die Sehnsucht und die menschlichen Bedürfnisse erfahren, damit wir auch jenen Menschen vertrauen und glauben, welche redlich Gott suchen oder Ihn gefunden haben.
Und so unterscheiden wir diese Zeit des Glaubens, von jener
kommenden des Schauens, ohne die Heilsfragen zu stellen, ob wir erlöst seien oder nicht, sondern wir wissen, dass unsere Freude vollkommen sein wird, wenn wir auch tatsächlich
mit Ihm dort sein werden, wo Christus mit Gott der Eine ist. Unser Heil wird sein, wenn die Liturgie ihren Abschluss gefunden hat, und wir die Fortführung seines Werkes im
eigenen verklärten Leib wahrnehmen, die vollendete Gestalt Jesu, in der neuen und abendlosen Schöpfung unseres Seins.
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