In den hl. Schriften der Bibel ist häufig die Rede vom Herzen – auch umgangssprachlich denkt man dabei am
wenigsten an das Organ in der Brust. Bereits im Pentateuch Moses begegnet uns der Begriff einer „Herzensbeschneidung“. Dieselbe kann sowohl als eine
geistliche Umschreibung (Metapher) für die Taufe verstanden werden, aber auch als eine typologische (Schattenbild) Darstellung der Verwandlung, wie es der Prophet
sagt – eines Herzens aus Stein zu einem Herzen aus Fleisch.
Als Josef, der Stiefvater Jesu, erfuhr, dass seine Verlobte bereits schwanger war, bewegte er im Herzen, wie er
sie entlassen sollte. Denn er beabsichtigte nicht, sie bloß zu stellen, um ihr zu schaden. Hierbei könnte man doch von einem empfindsamen Menschen reden, dessen Mitgefühl die
Wärme des Herzens aus Fleisch besäße. Eine solche Auslegung entspricht bei genauerer Betrachtung nicht der prophetischen Aussage. Zwar weckt die Materie des Steins den Eindruck
der Kälte und das Fleischliche der körperlichen Wärme, so dass die unreflektierte Vorstellung hinter die eigentlichen biblischen Anliegen gestellt werden kann; Gott schrieb
jedoch die Zehn Gebote absichtlich auf die Steinplatten und auf die Herzen – die mahnende Gewissensstimme vermittelt uns selten die Kälte einer Hartherzigkeit. Um so mehr
leitet uns unser Herz zur Umkehr und zur Besserung unseres Handelns an. Ein solches Herz vermittelt nämlich jene Beschneidung, welche aus Gott stammend uns auch den Sinn des
Gesetzgebers verständlich macht. Josef dachte folglich in den Kategorien des Gesetzes und des Rechtes, mit einem steinernen Herzen, welches die Rechtsförmlichkeit achtete, als
er sich von Maria entloben wollte – wer könnte ihm seine Überlegungen verdenken? Auch heute noch ist es in jedem staatlichen und kirchlichen Recht selbstverständlich, dass
eine verschwiegene voreheliche Schwangerschaft keiner Scheidung der Ehe bedarf, da dieselbe nicht zustande kam. Eine solche Ehe gilt als nicht geschlossen und kann simpel ohne
weiteres annulliert werden. Wo ist nun das weiche Herz aus Fleisch, von welchem die Propheten künden?
Ebenso gründete Jesus die Kirche nicht auf dem Fleisch, sondern auf dem Grundstein der Aussage von Petrus –
du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Die fundamentale Aussage über das Wesen der Kirche beinhaltet somit ihren Glauben an die Heiligkeit ihres
Stifters, welcher ihr Grund- und Schlussstein ist, ihre Herkunft und ihre Vollendung. Wäre sie nicht auf dem Sohn Gottes aufgebaut, sondern auf menschlichen Ideen und klugen
Vorstellungen, dann entspräche sie einem Bau, der auf Sand gegründet wäre – einer statischen Ruine. Ihr Fundament aus Stein ist die Liebe in Person, deren Liebe bis zum
bitteren Tod am Kreuz bestand. Nach seinen eigenen Worten ist unser HErr auch ein Stein des Anstoßes, den die Bauleute verworfen hätten. Manche Schriftgelehrten suchten ein
redliches Gespräch mit unserem HErrn, wie Nikodemus, andere hingegen waren unredlich – sie stellten Jesu Fallen, um ihn in Misskredit zu bringen – ohne Erfolg. An
dem Geist Christi fanden sie keinen Anstoß, aber an seiner Erscheinung – an seinem Fleisch. So überlieferten sie ihn in die Hände der Bösen, um sein heiliges Fleisch zu
zerstören. Gott ließ aber nicht zu, dass sein Heiliger verwese!
Im göttlichen Haus wird uns auch nicht Stein statt Brot gereicht, sondern das Fleisch (sarx) unseres
Erlösers, damit wir leben. Nur der böse Mensch reicht seinem Nachbar Stein statt Brot – spricht unser HErr. Wir werden nicht wegen unserer Verdienste belebt, sondern ob
des Verdienstes des Lammes Gottes, unseres Paschas verschont, um für die Ewigkeit wiederbelebt zu werden. Durch dieses Geheimnis, welches eucharistisch (in dankender
Weise) gefeiert uns zu einem geistlichen Bau, zum Tempel des Höchsten erbaut, werden wir nach seiner vollendeten Gestalt erneuert – in ihm erfahren wir eine neue und
unvergängliche Schöpfung, auch die Verwandlung des Herzens, vom Stein zum Fleisch!
Am einprägsamsten ist jene Begebenheit, als die Gesetzestreuen die Vergehen Marias von Magdala strafen wollten.
Statt dessen sprach Jesus: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ Hier lernen wir, dass das Gesetz oder das Recht der biblischen Weisung
keinesfalls mit Hand und Verstand umgesetzt werden soll. Die Gerechtigkeit gründet bei Gott nicht im Strafmaß, sondern in seiner Heiligkeit. Auch Joschua bezeugt dies –
vor der Anwendung des göttlichen Rechts verpflichtete er die Gesetzestreuen und das ganze Volk, die Weisung des Pentateuchs (der 5 Bücher Moses) zunächst im Herzen zu
bewegen – die jüdischen Rabbiner sprechen daher von einer „Herzensliturgie“. Deshalb loderten in der Geschichte der Hebräer nicht die Scheiterhaufen der
Hexenverbrenngen, wie in der Kirchengeschichte – trotz der gemeinsamen mosaischen Vorschrift. Das beschnittene Herz ehrt Gott bei seiner Heiligkeit – der Tadellose
ist bereit und fähig, Gnade vor Recht zu üben. Solche Herzen, die Gott nachgestaltet werden, sind nach prophetischem Sinn vom Stein zum Fleisch verwandelt, wie unser Retter, zu
einem geweihten Fleisch – Gott dem HErrn heilig.
Es gibt vieles, was wir der Gemeinschaft der Getauften heute vorhalten könnten – der heutigen Erscheinung
der Kirche. Wie in ihrer traurigen Geschichte ist ihre gegenwärtige Stellung in der Gesellschaft ebenso unansehnlich, wie ihre Wege, sich wieder weltlich zu behaupten. Kann man
schon von ihrem Fall sprechen? Gewiss! Jedoch keinesfalls von einem endgültigen Abfall! So lange noch dieses „Heute“ der Wüstenwanderung gilt, besteht nicht
nur die Hoffnung, sondern ob der göttlichen Verheißung auch die Zusage des Heiligen Geistes, sie neu zu erfahren, schuld- und makellos. Aufgebaut ist sie auf der Gnade dessen,
den wir gläubig bezeugen – einer ist heilig, einer der HErr, Jesus Christus, in welchem wir sind zur Herrlichkeit Gottes des Vaters. Sie ähnelt der
Wöchnerin, welche durch Angst und Todespein die Leibesfrucht austrug – das neue Geschlecht der Priester und der Könige. Die in ihr Wiedergeborenen besitzen als ihr
geistlicher Nachwuchs die Fähigkeit, wie einst Jesus im Heiligtum Jerusalems, vor dem Allerheiligsten des neuen Jerusalems zu ihrer Rechtfertigung dargestellt zu werden, durch
den Glauben und durch die Hoffnung.
Wenn wir nun das Fest der Darstellung Jesu im Tempel feierlich begehen, legen wir ein heiliges
Zeugnis ab. Wie Josef das Herz aus Fleisch erfuhr, als er sich mit einer vorehelich Schwangeren vermählte, so auch wir, wenn unsere Hoffnung auf die Darstellung vor dem
erhabenen Thron Gottes unsere Mutter einschließt, zu ihrer Reinigung und vollen Wiederherstellung. Der dargestellte Emanuel einigte die Gottesgebärerin und Josef zu einer
geweihten Familie, welcher sich Jesus in seiner Jugend unterordnete, wie auch wir dem geistlichen Amt und der Kirche die Ehrung erweisen – der Steintafel des göttlichen
Gebots entsprechend. In unserem Innern ist jedoch ein vom göttlichen Feuer loderndes Herz, dem geheiligten Fleisch unseres Erlösers nachempfunden, damit unsere unvergängliche
Liebe die Herrlichkeit erfahre – die Wahrnehmung des Höchsten. Steine werden nicht beschnitten, sondern die Herzen aus Fleisch, damit aus unseren Händen statt Steinigung
Segen komme, weitergeleitet von jenem, der die Quelle jeglicher Segnung ist. Unsere prophetische Gesinnung und der Glaube an einen gnädigen Gott und Herrscher sind die
Voraussetzung für unsere Verwandlung, wenn die Sterblichkeit sich in Unsterblichkeit kleiden und unser verwesliches Wesen die Unverweslichkeit erfahren wird. Was wir nun
geistlich erfahren, das erwarten wir auch in der leiblichen Gestalt. Erlöst auf die Hoffnung der Auferstehung harren wir auf jene Stunde, wo wir das Glück der Erlösten sehen
sollen, die vollendete Braut Christi, die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche – unsere heißgeliebte Mutter.
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