Vorab gemerkt, was Gott nicht ist: Er ist kein höheres kosmisches Wesen, das
irgendwo existiert, das kein Mensch verstehen und ergründen kann. Gott ist kein Unbekannter, Verborgener, den es irgendwie geben kann oder muss. Einen solchen Gott kann man
weder erkennen noch wirklich lieben – weil ein solches Gottesbild eher einem Gespenst gleicht, welches mal da oder mal dort ist.
Der Gott, welchen wir Christen lieben, trat in die Geschichte der Menschheit ein.
Er erschien mehrmals, stellte sich namentlich vor und gab seine Wohnadresse an. Da er Gott ist, und kein Mensch, und sein göttliches Wesen das ganze All nicht zu umfassen
vermag, konnten weder die Seher und Propheten, noch können wir ihn so schauen, wie er ist, sondern nur so, wie Gott sich zeigte – in seiner Herrlichkeit. Von solchen
Begegnungen geben die biblischen Schriften Zeugnis ab, indem sie die göttlichen Erscheinungen Herrlichkeit nennen, hebräisch Qawod und griechisch
Doxa genannt. Es ist mehr als eine Gestalt, welche geistlich erscheint, viel mehr als eine Vorstellung – es ist eine Kraft, welche Licht und Macht zeigt – eben
die Herrlichkeit des Höchsten.
Allerdings droht der Erschienene nie. Ich weiß, hier werden nicht wenige
Bibelkenner einige Bibelstellen zitieren, welche als Gegenteil aufführbar sind. Nun, sowohl die göttlichen Gedanken wie auch sein göttliches Wesen übersteigen unsere
Vorstellungen. Deshalb sprach er und offenbarte sich durch seine Zeugen umfangreicher als sonst ein anderes Wesen, welches ist und lebt. Die Bibel ist so umfangreich, und doch
soll sie nur das eine übermitteln – die Vorstellung von Gott in dem Sinn, wie der Mensch ihn verstehen kann. Diese Vorstellung reicht in sehr alte Zeiten und ist älter als
4000 Jahre. Seit dieser Zeit wuchs die Menschheit sowohl kulturell, was die Vorstellungen und Werte angeht, als auch in der Erkenntnis, analog dazu, wie uns die Wissenschaft und
Technik selbstverständlicher wurden. Und doch gibt es Werte, die trotz dieser Jahrtausende gleich geblieben sind, nämlich die Werte der Empfindungen und Gefühle, also Werte,
welche uns allen Menschen bekannt sind, auch wenn sie, wie manche Erscheinungsformen Gottes, nicht greifbar sind! So ist z.B. eine Liebesbeziehung, welche in die Brüche geht,
eine solche Verletzung, welche Aggressionen weckt. Vor allem in den alttestamentlichen Schriften begegnet uns von Seiten Gottes die Androhung der verschmähten Liebe –
unangenehme Äußerungen eines Liebenden. Dieser in Herrlichkeit geoffenbarte Liebende zwang nicht alle Menschen zum Glauben und Lieben, forderte jedoch Liebe von seinen
Bündnispartnern, per Gebot! Daher ist auch jede Drohung abwendbar, wie es biblisch mehrfach bezeugt wurde, wie z. B. Ninive u.s.w. Denn Gott will nicht den Tod des Todesschuldigen, sondern dass er sich bekehre und lebe – so lesen wir es in der Bibel und hören es in jedem Gottesdienst der Tagzeit.
Der Erschienene zeigt vielmehr in seiner Herrlichkeit sich selbst, auch dann, wenn
wir Gott im Nächsten erfahren. Wir begegnen ihm und dem Nächsten wie uns selbst, wenn wir uns als geistliche und wirklich empfindsame (empathische) Wesen erkennen, welche
als Menschen unserem Schöpfer zugestehen: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer
gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ (Ps. 8. 5-6) Folglich erscheint unser Gott sowohl in der kraftvollen Macht, wie Blitz und
Donner, aber auch in einer menschlichen, bedürftigen Gestalt. Die Theologie spricht mit biblischer Sprache von der „Hypostase“ (Subsistenz), einem
Begriff, der sowohl alt- und neutestamentlich vorkommt – daher sprechen wir Christen von der Trinität oder Dreieinigkeit, resp. im Liebesbegriff von der Dreifaltigkeit.
Der eine Gott erscheint kraft der Herrlichkeit als Vater allen Seins, sodann in der Menschengestalt als Gottessohn, als die Herrlichkeit einer Vollendung, und als der HErr der
Gedanken, der Empfindung, als der Sinn des Lebens erscheint er als Geist, dem wir jederzeit geistlich begegnen können.
Gerade die Spannung zwischen den macht- und kraftvollen
Erscheinungen und dem schutzbedürftigen Säugling in der weihnachtlichen Krippe zeigt an, wie vollkommen unser Gott ist. Und gemessen an seiner Vollkommenheit, sind wir fähig zu
erkennen, wie wir nur wenig geringer gemacht wurden, als Gott, um auch im Nächsten dem Menschgewordenen zu begegnen, dem Christus unseres Glaubens. Ja, er
war verraten und falsch beschuldigt – ein Märtyrer ist der Christus unseres Glaubens. Das Heilsame an seinem Opfertod ist jedoch die Ausdauer – in der Treue zum
göttlichen Wesen, welches die Liebe ist, und in der Hingabe für die Geliebten. Deshalb verehre ich ihn und liebe durch den Sohn den Vater meines Wesens und den Geist meiner
Vollendung und freue mich aufrichtig, dass ich dabei nicht alleine bin, sondern stolz stehen darf in der Gemeinschaft der einen, heiligen, katholischen und apostolischen
Kirche.
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