In dieser Bußzeit, in welcher wir uns auf unterschiedliche Weise von Speisen und
Genüssen enthalten, soll unser Blick durch den Verzicht auf vergängliche Speise auf das wahre, unvergängliche Brot des Lebens gelenkt werden. Christus lehrt uns im HErrengebet,
dass wir um das tägliche, oder genauer übersetzt, um das überwesentliche oder morgige Brot beten sollen. Bereits durch die Betrachtung der griechischen Worte im Vater unser
(ton arton epiousion), welche wir mit „täglichem Brot“ übersetzen, liegt es nahe, das Wort Brot nicht im weltlichen Sinn zu verstehen, sondern in einem geistlichen,
christlichen Sinn.
Dass wir Kleidung und Nahrung benötigen, das weiß unser himmlischer Vater, darum
soll es uns nicht gehen, darum gehe es den Heiden, sagt Jesus. Wir sollen uns aber um das Himmelreich kümmern und um die Sache Gottes – und diese hat eine bestimmte Form
und kann mit einem bestimmten Namen ausgedrückt werden: es ist der Name Jesus, der Einziggeborene Sohn Gottes, der Messias, der in der Gestalt eines Menschen erschienen ist und
nun in dieser unserer verherrlichten Natur am himmlischen Thron als Hohenpriester für uns und alle Menschen bei Gott unaufhörlich Fürbitte einlegt.
Es ist der Ausdruck der ewigen Liebe Gottes, dass wir ihn, den Höchsten, im Anblick
seines Gesalbten betrachten können. Aufgrund seiner Fürsorge hat er, der von sich selbst sagt – Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel herab gekommen
ist – sich selbst für uns als Speise hingegeben. In eine goldene Schale war einst das Manna, das vom Himmel kam, gelegt worden, damit es vor den Augen des Volkes
und Gottes im Heiligtum aufbewahrt werde. In ein goldenes Gefäß, das heißt, im Leib eines wahrhaftigen Menschen kam der ewige Gottessohn, das lebendige Brot vom Himmel, um nach
seiner Auferstehung nicht in ein von Händen gemachtes Heiligtum einzugehen, sondern in das Allerheiligste der Himmel, damit er als das Lamm unserer Erlösung, uns vor den Augen
des Vaters in seiner Gerechtigkeit erscheinen lässt. So blickt Gott durch ihn auf uns – und wir betrachten Gott, den Unsichtbaren, durch Christus und erkennen durch ihn
das Wesen Gottes – die Liebe, die unvergänglich ist. Noch ist dies eine geistliche Schau – doch ihrer Erfüllung schauen wir sehnsuchtsvoll entgegen.
Wenn aber die Heilige Eucharistie das himmlische Brot ist, warum feiern wir dann
nicht jeden Tag die heilige Eucharistie, sondern nur am HErrentag, dem Tag der Auferstehung Jesu Christi und unseres Heils? Er, der das Himmelsbrot ist, ist auch das ewige Wort,
welches am Anfang war und durch das alles geschaffen wurde. Er ist uns im Geist nah und wir sind aufgerufen jeden Tag dieses Wort neu zu suchen und wie das Manna aufzusammeln.
Denn an jedem Tag offenbart sich Gott auf eine neue Weise und in neuer Erkenntnis. Er nimmt sich unseres Wissenstandes und Wissenshungers an und reicht uns die Speise, welche
für uns die richtige ist – das Wort des Trosts und der Erkenntnis, aber auch die unzähligen Gaben seines Reiches, in welchen er uns nah sein möchte.
Es stimmt die Menschen traurig, wenn sie den geistlichen Hunger
nach Gott, welcher die erste Liebe uns immer wieder neu erleben lässt, in sich nicht verspüren, denn wir sind aus der Liebe Gottes entstanden, um dieselbe auch Ihm und unseren
Mitmenschen gegenüber auszuleben. Darum mögen unsere geistlichen Übungen und die Gnade Gottes in dieser Fastenzeit in uns und allen Menschen das Verlangen nach der Begegnung mit
dem Himmlischen immer wieder neu aufflammen lassen, und uns für die große freudvolle Feier unserer Erlösung würdig vorbereiten.
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